“Vor kurzem sagte mir eine Frau einmal: Ich gehe mit meinem Mann auf die Straße und ich sage zu ihm: Die Schneeglöckchen sind traurig. Und dann sagt er zu mir: Was Du schon wieder hast, die wachsen da. Dann gab es Streit. Drei Wochen danach kam die Frau in Psychotherapie und später in die Psychiatrie. Sie hatte ein letztes Mal den Versuch unternommen, ihrem Mann zu sagen, wie sie sich fühlt. Sie hat nie gelernt, Gefühle mitzuteilen. Hätte sie es gekonnt, würde sie gesagt haben: Ich bin wie eine blühende Blume, voller Schönheit, voller Lebensmöglichkeiten, aber es liegt auf mir wie gefrorene Tränen. Und der Grund aller Kälte bist Du, mein Mann, der kein einziges Gefühl versteht. Dieser Mann ist ein ordentlicher Bürger, er tut täglich seine Pflicht, er ist im Pfarrgemeinderat, ein unbescholtener Christ, eine Seele von Mensch, ein Muster der Verantwortung, ein Herr Karenin par excellence. Aber noch wie er reagiert und seine Frau zurechtweist, bestätigt er genau das, was sie andeutet: Die wachsen da, heißt so viel wie: Halt das Maul. Fang nicht schon wieder an. 2 x 2 = 4, Blumen sind nicht traurig und Du hast kein Recht, traurig zu sein. Erstens bist Du keine Blume und zweitens mache ich alles richtig. […] Es gibt zur Beglückung der Menschheit [hingegen] nichts Besseres, als dass Sie sich selber erlauben, ein bisschen glücklicher zu werden. Und dafür sind […] Gefühle notwendig.”
(Eugen Drewermann am 18.12.1996 in der Gethsemanekirche, Berlin)
“Die Kranken, das sind die Gesunden. Und die Gesunden, das sind in Wirklichkeit die Kranken.”
(Erich Fromm)
Ich trage große Wut in mir. Es ist schwer, das zu erklären, aber ich will es versuchen: Ich habe in den letzten Monaten ziemlich viele Bücher gelesen, ziemlich viel erlebt, ziemlich viel Elend gesehen und ziemlich viele Psychologen erlebt, wie sie sich dieses Elends annahmen bzw. anzunehmen meinten. Leider nur, so muss ich sagen: in der Regel auf eher fragwürdige Art und Weise. Und das macht mich wütend.
Warum dem so ist, will ich im Folgenden kurz skizzieren. Anhand einiger Beispiele, die deutlich machen sollen, warum vieles an vermeintlicher „Hilfe“ wohl eher schadet als nützt.
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