Gedichte...

Wer lebt, stört

Sie waren beschäftigt
mit sich, ihren Nöten, Sorgen
ihrer Angst

Sie haben Dir gesagt und bedeutet
dass Du störst
Und Du
hast es ihnen geglaubt

Geglaubt
dass Du, um geliebt zu werden,
nur weniger stören
und anders sein musst
als Du bist
denn so wie Du bist
bist Du offenbar falsch

Wenn Du traurig warst
oder Angst hattest
haben sie gesagt:
Da gibt es nichts zu Weinen,
reiß Dich zusammen, sei stark!

Wenn Du spielen
oder toben wolltest
haben sie gesagt:
Ein anständiges Kind
bleibt stets ruhig, beschäftigt sich mit sich selbst
und fällt anderen nicht zur Last!

Wenn Du Dir etwas gewünscht hast
(Aufmerksamkeit, Zärtlichkeit, Trost,
das Zweirad oder den Teddybär)
haben sie gesagt:
Wenn Du uns wirklich lieben würdest
dächtest Du nicht immer nur an Dich
ja, dann wärst Du
nicht so ein habgieriges Kind!

Und so hast Du verlernt
Deiner eigenen inneren Wahrheit
Deinen Gefühlen und Impulsen zu vertrauen
und gelernt
zu fühlen und erfüllen
was jene
von denen Du abhängig warst
brauchten
und warst ihnen dies

Warst nicht mehr traurig
nicht ängstlich
nicht freudig-spielend
nicht fordernd
nicht anstrengend
nie mehr eine Last

Und hast gelernt
Gefühle zu lesen
andere zu fühlen
ihre Nöte, Sorgen und Angst
und diese, ihre Gefühle
dann zu Deinen
und Dich
für sie verantwortlich gemacht

Und auch heute noch denkst Du
dass dies Liebe sei

Dabei dürftest Du
– ja, heute endlich darfst Du dies! –
inzwischen doch erkennen
dass Du
mit allem
was Du bist und was in Dir lebendig ist
bedingungslos richtig
und wundervoll
und liebenswert bist

Und dass Du
niemals deswegen „anstrengend“ warst
weil etwas an oder in Dir falsch gewesen ist
sondern nur deswegen
weil die anderen
sich selbst nicht genügend liebten
um mutig genug zu sein
etwas zu unternehmen und tun:
für sich
und also
wider ihre Nöte, Sorgen und Angst
diese, ihre Verantwortung
jedoch auf Dich abwälzten alsdann

Sie haben sich
nicht wirklich geliebt
und konnten deswegen
auch Dich
nicht bedingungslos lieben
Das aber
hättest Du, auch das darfst Du erkennen heut
so sehr verdient und gebraucht

So hast Du gelernt und verinnerlicht
was Du erfahren hast:
dass nämlich
Du nur dann geliebt wirst
wenn Du andere mehr
als Dich selber liebst
musstest dies lernen
denn wer seine Eltern verliert, stirbt

Dein Lernen und So-Sein war richtig einst
und hatte guten Grund
Nur heute, da schützt und beschützt es Dich nicht mehr
sondern schadet Dir nur

Drum ist es jetzt an der Zeit
sich aufzumachen, auf den Weg:
Um zu lernen
dass, nur, wer zuallererst einmal
sich selbst wertschätzt und liebt
überhaupt andere zu lieben vermag
und hierdurch
auch der Kreis aus Missbrauch
durchbrochen werden kann
der sonst ewig weitervererbt wird
und besteht

Du darfst erkennen
dass nur, wenn Du Dir selbst Maßstab Deines Handelns bist
nur, wenn Du Dir erlaubst,
zu spielen, zu fordern, zu weinen und toben
wann immer Du es brauchst und willst
Du nicht stets aufs Neue Opfer
sondern Gestalter Deines Lebens
sowie Deiner Erfolge und Deines Glückes sein wirst

Erkennen, dass
wenn Du heute auf das Beste für Dich bestehst
Dich hierfür einsetzt und selbst auch vertrittst
Du es überleben wirst, wenn Dein Gegenüber
Dich hieraufhin verlässt
und dass dies nicht Habgier
sondern Selbstliebe und Freiheit
die zwei Voraussetzungen für Liebe also
sind

Und erkennen
dass Du Dich heute mit Menschen umgeben
und Dir ein Umfeld zu gestalten vermagst
das, anders als Deine ersten Bezugspersonen
mit seinen eigenen Dämonen
bereits Frieden geschlossen hat
und Dir deshalb niemals mehr zurufen wird
dass Du falsch oder störend seist
und Dich auffordert sodann:

Sei ganz Du selbst
nicht „nett“ oder „lieb“, sondern echt!
denn es stört
wenn Du nicht auch
traurig, ängstlich, verspielt, tobend und fordernd
nicht also
auch bedingungslos Du
und selbstliebend bist
und wir daher
nicht erfahren
wer Du bist, wenn Du bist
und was Du brauchst
denkst, wünschst und fühlst

Sei Du, ganz Du
und wage es, aus Liebe zu Dir selbst
auch anzuecken und zu stören
denn: Wer lebt, stört!
und wir wollen, dass Du lebst
wirklich lebst
denn: Wir lieben Dich.

Standard

9 Gedanken zu “Wer lebt, stört

  1. ICHICH schreibt:

    @jensejens : danke! war im grunde naheliegend, aber ich wollte dennoch nochmal nachfragen. sehr ergreifende zeilen.

Kommentar verfassen