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Die Entscheidung für die Liebe

Das Ego hebt immer das hervor, worin jemand unrecht getan hat. Der Heilige Geist hebt immer das hervor, worin jemand recht getan hat. Der Kurs vergleicht das Ego mit „gierigen Hunden der Angst“, die jeden kleinsten Beweis für die Schuld unseres Bruders aufspüren und ihrem Herrn zu Füßen legen. Wichtig ist, dass wir uns entscheiden, was wir sehen wollen, bevor wir es sehen. Wir bekommen, worum wir ersuchen. „Wahrnehmung wird durch Projektion erzeugt.“ Wir können und werden in der Tat das finden, wonach wir im Leben suchen. Der Kurs sagt, dass wir meinen, eine Person ausreichend verstehen zu können, um zu wissen, ob sie liebenswert ist oder nicht, dass „wir sie aber nie verstehen können, wenn wir sie nicht lieben“. Der spirituelle Weg beinhaltet, dass wir bewusst die Verantwortung für die Wahl dessen übernehmen, was wir wahrnehmen wollen – die Schuld oder die Unschuld unseres Bruders. Wir sehen die Unschuld eines Bruders, wenn das alles ist, was wir sehen wollen. Die Menschen sind nicht vollkommen, das heißt, sie bringen ihre innere Vollkommenheit noch nicht ganz im Äußeren zum Ausdruck. Es liegt an uns, ob wir uns auf die Schuld in ihrer Persönlichkeit oder die Unschuld in ihrer Seele konzentrieren möchten.

Was wir für die Schuld anderer Menschen halten, ist ihre Angst. Alle Negativität entspringt der Angst. Wenn jemand wütend ist, hat er Angst. Wenn jemand grob ist, hat er Angst. Wenn jemand manipuliert, hat er Angst. Wenn jemand grausam ist, hat er Angst. Es gibt keine Angst, die die Liebe nicht auflösen könnte. Es gibt keine Negativität, die Vergebung nicht verwandeln könnte.

Dunkelheit ist nur die Abwesenheit von Licht, und Angst ist nur die Abwesenheit von Liebe. Mit einem Baseballschläger lässt sich die Dunkelheit nicht vertreiben, denn da ist nichts, wogegen wir schlagen können. Wollen wir die Dunkelheit vertreiben, dann müssen wir Licht machen.

Und ganz ähnlich lässt sich die Angst nicht vertreiben, indem wir gegen sie ankämpfen, wir müssen sie vielmehr durch Liebe ersetzen.

Die Entscheidung zur Liebe ist nicht immer einfach. Das Ego wehrt sich entsetzlich stark dagegen, dass wir unsere angstbesetzen Reaktionen aufgeben. Und hier kommt der Heilige Geist ins Spiel. Die Veränderung unserer Wahrnehmung ist nicht unsere Sache, aber dass wir daran denken, den Heiligen Geist zu bitten, sie für uns zu ändern, das ist sehr wohl unsere Sache.

Nehmen wir an, Ihr Mann hat Sie wegen einer anderen Frau verlassen. Sie können andere Menschen nicht verändern, und Sie können auch Gott nicht bitten, sie zu verändern. Sie können aber darum bitten, dass Sie die Situation anders sehen. Sie können um Frieden bitten. Sie können den Heiligen Geist bitten, Ihre Wahrnehmung zu verändern. Das Wunder besteht darin, dass Ihr tiefer Schmerz allmählich nachlässt, wenn Sie sich von der Verurteilung Ihres Mannes und der anderen Frau freimachen.

Das Ego mag Ihnen in dieser Situation sagen, dass Sie erst dann Frieden finden werden, wenn Ihr Mann zu Ihnen zurückkehrt. Aber Friede wird nicht durch äußere Umstände bestimmt. Friede entspringt der Vergebung. Der Schmerz entspringt nicht der Liebe, die uns andere verweigern, sondern der Liebe, die wir anderen verweigern. In einem Fall wie diesem haben wir das Gefühl, durch das, was ein anderer getan hat, verletzt worden zu sein. Aber in Wirklichkeit hat das verschlossene Herz eines anderen uns in Versuchung gebracht, unser eigenes Herz zu verschließen, und unsere eigene Verweigerung der Liebe ist es, die uns verletzt und schmerzt. Deshalb ist ein Wunder eine Veränderung in unserem eigenen Denken: Die Bereitschaft, unser eigenes Herz offenzuhalten, egal, was im Äußeren um uns herum vorgeht.

Ein Wunder ist immer und in jeder Situation verfügbar, weil niemand für uns entscheiden kann, wie wir unsere eigenen Erfahrungen interpretieren wollen. „Es gibt nur zwei Gefühle: Liebe und Angst.“ Wir können Angst als einen Ruf nach Liebe verstehen. Wunderwirkende, so sagt der Kurs, sind aus Eigeninteresse großzügig. Wir lassen jemanden vom Haken, damit wir selbst unseren Frieden bewahren können.

Das Ego behauptet, dass wir unsere Wut auf eine andere Person projizieren könnten, ohne sie selbst zu spüren zu bekommen, aber da wir alle geistig verbunden sind, spüren wir auch alles, was wir auf andere projizieren. Haben wir auf jemanden eine Wut, so fühlen wir uns vielleicht für eine Weile besser, doch letztlich kehrt alle Angst und alles Schuldgefühl zu uns zurück. Verurteilen wir eine andere Person, so wird sie umgekehrt auch uns verurteilen – und selbst, wenn sie es nicht tut, werden wir das Gefühl haben, dass sie es tut!

Das Leben in dieser Welt hat uns gelehrt, instinktiv unnatürlich zu reagieren, immer auf die Wut, die Paranoia, die Verteidigungshaltung oder eine andere Form von Angst zuzuspringen. Unnatürliches Denken fühlt sich für uns natürlich an, und natürliches Denken fühlt sich unnatürlich an.

Aus: Marianne Williamson: „Rückkehr zur Liebe“, S. 110 ff.

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